Nvidias Cloud Gaming GeForce Now im Test: Server-Hopping vom Feinsten
Mal eben eine Runde Doom, danach Metro Exodus auf maximalen Details – alles auf dem alten Macbook mit GeForce Now. Unser Test erklärt, wie gut das ist.
(Bild: Screenshot: Michael Wieczorek/heise online)
14:38 Uhr
Von
- Michael Wieczorek
Nach jahrelanger Beta-Phase ist Nvidias Spielestreaming-Service GeForce Now gestartet. Registrierte Benutzer können das Angebot ohne Kosten nutzen, müssen sich dann aber auf jeweils eine Stunde Spielen am Stück beschränken. Zusätzlich gibt es mögliche Warteschlangen, um auf einen Server in Nvidias Cloud zu kommen. Raytracing-Effekte gibt es in der kostenlosen Version nicht zu sehen.
Nutzer, die 5,50 Euro pro Monat an Nvidia überweisen dürfen hingegen auch mit Raytracing, bis zu sechs Stunden am Stück und ohne Warteschlangen zocken. Wir haben den kostenlosen sowie kostenpflichtigen Service eine Woche ausprobiert, verglichen und an der Konkurrenz von Google Stadia gemessen.
Die ködernde Cloud
Die Idee vom Spielestreaming ist höchst verführerisch: einfach so in GByte-große Schinken wie Final Fantasy XIV oder Doom reinschnuppern, ohne vorher lange die Spieldateien herunterladen zu müssen. Mal eben auf dem betagten Macbook Metro Exodus auf maximalen Grafikdetails inklusive Raytracing zocken. Unterwegs eine Runde MTG: Arena auf dem Android-Tablet daddeln. Alles, was bei Filmen, Serien und Musik längst Usus ist, wird durch moderne Encoding-Verfahren und separate Verbindungen für Nutzereingaben nun auch im Bereich Gaming möglich.
GeForce Now im Test
Doom (2016) läuft besonders flüssig und sieht trotz schneller Action sehr gut aus.Bild: Screenshot: Michael Wieczorek/heise online
Nvidia verfolgt einen anderen Ansatz bei der Spieleauswahl als die Konkurrenz von Google oder Microsoft. Bei GeForce Now haben Spieler auch freien Zugriff auf ihre digital registrierten Spiele auf Steam, dem Epic Store sowie Ubisofts Uplay. Zum Testzeitpunkt waren die Spiele des Battle.net noch spielbar – die Verfügbarkeit wurde aber inzwischen seitens Activision-Blizzard gestrichen.
Ein leistungsstarker PC mit sündhaft teurer Grafikkarte ist zum Spielen über GeForce Now nicht nötig. Die Kunden verbinden sich mit den Server-Nodes von Nvidia und starten dort ihr Spiel. Während der Nutzer seine Eingaben per Maus und Tastatur oder Gamepad sendet, schickt der Server einen mit H.264 kodierten Videostream zurück auf das Endgerät des Kunden. Das kann ein Android-Tablet oder -Smartphone, Windows-PC oder Mac sein. Eine Sonderposition nimmt Nvidias Streaming-Box Shield ein. Diese bekommt als einziges Empfangsgerät einen Videostream mit h.265-Codec, um Bandbreite zu sparen und die Bildqualität zu verbessern. In allen Fällen beträgt die maximale Bitrate des Streams 50 MBit/s.
Spiele werden maximal mit einer Auflösung von 1920 x 1200 Pixeln ausgegeben, die meisten Nutzer werden jedoch in Full-HD im 16:9-Bildformat spielen. Bis zu 60 Bilder pro Sekunde (fps) oder in 720p mit 120 fps sind möglich. Eine Option für 4K oder WQHD (2560×1440 Pixel) fehlt.
Weise gewählte Komponenten
Nvidia gibt nicht an, welche Grafikleistung die Server haben. Wir haben uns daher für den Test bewusst Spiele ausgesucht, die durch integrierte Benchmarks Einblicke in die verbaute Hardware geben. Zusätzlich ist es möglich, durch das Drücken der Tastenkombination Strg+Alt+F6, Details wie den Datendurchsatz oder die Framerate zu erfahren.
powered byVergleich: Metro Exodus (GeForce Now vs Google Stadia)
Nvidia wählt die Server entsprechend der angeforderten Leistung: Starten wir Quake II RTX, Borderlands 3 oder The Division 2, spielen wir auf einem Achtkerner von Intel (CC150 @ 3,5 GHz) mit einer Tesla RTX T10, einer Server-Variante der GeForce RTX 2080. Für das genügsame MTG: Arena finden wir auf einem Server Platz, dem ein Xeon E5-2697 v4 mit der Server-Variante einer GTX-1080-GPU innewohnt.
In den meisten Fällen bieten die Server genügend Leistung für stabile 60 Bilder pro Sekunde. Eine Ausnahme in unserem Test war Quake II RTX. Die Raytracing-Version des Shooter-Klassikers fällt auf maximalen Details mitunter auf 40-50 fps. Störender als die Bildrate empfanden wir bei Quake II RTX außerdem die im Vergleich zu anderen getesteten Spielen höhere Eingabeverzögerung. Unabhängig davon, ob VSync ein oder ausgeschaltet ist – das Spiel steuert sich stets schwammig.
Optimierungen und Server-Wechsel
In Doom (2016) erreichen Nvidias Server stabile 200 fps, sofern man V-Sync in den Optionen deaktiviert. Rocket League läuft sogar mit 240 fps. Verwundert waren wir über die teils drastisch schwankende Bildqualität bei schnellen Action- oder Rennspielen wie Doom und Rocket League. Während Doom hochaufgelöst, flüssig und mit wenigen Kompressionsartefakten glänzt, kommt der Rocket-League-Videostream an die Grenze des Anschaubaren.
Auch der mehrmalige manuelle Serverwechsel bringt bei Rocket League keinen Erfolg, während es bei einigen Ubisoft-Spielen wie Assassin's Creed Unity oder The Division 2 häufig hilft, den Server zu wechseln, um deutlich schönere Ergebnisse zu erzielen. Grund dafür ist die Netzwerkfragmentierung und Belastung der aktuell vier unterschiedlichen EU-Server. Wir können einen Server-Wechsel (leider) empfehlen, da die Unterschiede bei der Bildqualität trotz gleichbleibender Verbindungsqualität des eigenen Internet-Providers stark schwankt. Wenigstens weiß man relativ schnell zu Beginn, ob eine gute Verbindung zu erwarten ist. Bereits das Login-Fenster und die Intros der Spiele sind nämlich entweder direkt scharf und schön oder matschig und verpixelt.
Nvidia bietet zur Optimierung des Videostreams ein paar Optionen an. So können Nutzer ihre Bandbreite begrenzen, indem sie die Auflösung (>360p) und Bitrate (<50 MBit) sowie die Bildrate (30 - 120 fps) reduzieren. Bei Rocket League hilft aber bisher noch keine Konfiguration, um ernsthaft mitzuspielen.
Nichts für den eSport
Für kompetitives Spielen ist GeForce Now aber sowieso nicht gedacht. Zwar ist der Ping der Server meist sehr gering, die Eingabeverzögerung bringt Spielern dennoch insgesamt einen spürbaren Nachteil. Verglichen mit der nativen Ausgabe eines Spiele-PCs an einen Monitor mit 120 Hz oder mehr ist der Unterschied besonders auffällig und beträgt abhängig vom Spiel bis zu 30 Millisekunden, sprich 1-2 Frames.
Die Verzögerung führt in Spielen wie MTG: Arena zu einem nervigen Fehler bei der Maus-Eingabe. Wer Apples Magic oder Mighty Mouse nutzt, muss den Mausklick beim Drag & Drop für das Verschieben der Spielkarten unnatürlich lange gedrückt halten, damit er registriert wird. Mit anderen Mäusen hatten wir dieses Problem nicht. Davon abgesehen waren wir beeindruckt, wie vielfältig die Eingabeoptionen für GeForce Now sind. Egal ob DualShock 4, Xbox-360-, Xbox-One- oder Switch-Pro-Controller – alle Varianten funktionieren im Test gut bis sehr gut und werden auch mit den korrekten Tasten in den Spielen dargestellt.
Nur verkabelt gut
Dass auch GeForce Now wie Stadia nur über eine verkabelte Ethernet-Verbindung verlässlich und gut funktioniert, überrascht nicht mehr. Über WLAN erhöht sich nicht nur die Eingabeverzögerung stark, auch die Bildqualität leidet sehr. Dabei sind es vor allem die Schwankungen, die besonders nerven, nicht ein generell Artefakt-belastetes Bild.
Insgesamt haben wir bei Stadia im Vergleich zu GeForce Now über kabellose Verbindungen ein saubereres Bild und geringere Eingabeverzögerung festgestellt. Aber auch für Googles Service können wir diese Verbindungsvariante nicht empfehlen.
Wer dachte, dass durch Cloud-Gaming alle Wartezeiten entfallen, wird bei GeForce Now derzeit manchmal überrascht: Gerade Titel von Ubisoft und Spiele im Epic Store wollen sich vor dem eigentlich Spielstart nach der Eingabe der Login-Details noch einmal aktualisieren. Da man sich bei jeder neuen Session mit einem anderen Server verbindet, kann das jedes einzelne Mal passieren.
Etwas verwirrend ist auch der Prozess, bei dem Spieler erst den gewünschten Titel in Steam "herunterladen" müssen, bevor sie erneut den Spielstart angehen. Der "Download" erfolgt allerdings in wenigen Sekunden. Anstatt wirklich herunterzuladen, scheint nur eine Verknüpfung des Spiele-Ordners auf der Server-Farm hergestellt zu werden. An diesen Stellen fühlt man sich nach wie vor wie in der langjährigen Beta-Phase des Service.
Vorläufiges Fazit
GeForce Now kann beeindrucken und ist durch die kostenlose Verfügbarkeit eine spannende Alternative für jeden Gamer. Im Detail finden wir aber beim Test Verbesserungspotential an allen Ecken und Enden: So ist der Start ins Spiel oft sperrig und mit Updates und unnötigen Klicks verbaut. Bis man eine absolut ideale Verbindung zum bestmöglichen Server hat, vergeht schon einige Zeit.
Aber gerade, wenn man sich darüber ärgert und überlegt, doch den Download mit 50 Mbit auf dem lokalen PC anzuschmeißen, bemerkt man wieder den Reiz von GeForce Now: Nirgends kann man schneller einfach mal reinspielen - am besten mit dem Gamepad, denn mit Maus und Tastatur fällt die Eingabeverzögerung am meisten auf.
Allen, die bereits wissen, was sie lange und oft spielen möchten, empfehlen wir dennoch den nativen Spiele-PC zuhause. Nur dort gibt es optional 4K, 120 Hertz, HDR, Dolby Atmos, Mods, Hacks und Co. (wie)